Wer Tai Chi Chuan übt,
wird gesund und stark wie ein Holzfäller,
geschmeidig wie ein Kleinkind
und gelassen wie ein Weiser.

Chinesisches Sprichwort

 
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Was ist Taijiquan?

(alte Schreibweise: Tai Chi Chuan, Abk. "TCC")

 

Taiji = Tai Ji = "Tai Chi" = höchster Firstbalken, äußerster Pol, höchstes Prinzip (etwas mehr zur philosophische Seite von "Taiji" usw. weiter unten auf dieser Seite). Das "Chi" in der alten Schreibweise "Tai Chi" übrigens bitte nicht mit "Qi" (Energie) verwechseln - in der neueren Umschrift "Taiji" oder auseinandergeschrieben "Tai Ji" wird deutlicher, dass "Ji" ein anderes Wort ist als "Qi".

Quan = "Chuan" = Faust, Boxen, Kampfkunst

 

Taijiquan (Abk. "TJQ") kann somit grob übersetzt werden mit "Kampfkunst des höchsten Prinzips". Als solche wird sie zu den sogenannten inneren Kampfkünsten Chinas gezählt, den sogenannten "Neijiaquan" (Nei = innen, Jia = Familie, Quan = Kampfkunst)... doch im Laufe der Zeit hat sich Taijiquan verändert bzw. es wird anders wahrgenommen und Übende heute haben andere Interessen, Bedürfnisse und Schwerpunkte als "früher"...:

 

 

Taijiquan - früher und heute

 

Taijiquan hat sich im Laufe der Jahrhunderte einerseits aus den chinesischen Kampfkünsten (Kung Fu / Wushu) sowie andererseits aus dem weiten Gebiet des Qigong, im speziellen den daoistischen Meditations- und Energieübungen sowie auch den asiatischen Philosophien insgesamt entwickelt. Weiterhin wurde und wird es teilweise auch beeinflusst von den Konzepten der chinesischen Medizin.

Dabei war Taijiquan früher eine "knallharte" Kampfkunst, die benutzt wurde um das eigene Leben sowie der Familie bzw. des Dorfes zu verteidigen. Am ehesten äußerlich sichtbar ist dies noch heute im deutlich kampfbetonten Erscheinungsbild des Chen-Stils des Taijiquan.

Etwa um 1900 begann Taijiquan in China zunehmend aus den Familientraditionen herauszutreten und in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten. Im Zuge dessen wurden nach und nach viele kompliziertere und schnelle Bewegungen aus den "Formen" entfernt, und auch kürzere Formen erschaffen, so dass mehr Menschen Taijiquan erlernen und ausüben konnten. Dieser Ansatz hat sich im Grunde bis heute fortgesetzt, da Taijiquan von der überwiegenden Mehrheit aller Übenden zur Gesunderhaltung, Entspannung, Stressabbau, als kombinierte Körper(erfahrungs)- und Meditationsübung o.ä. ausgeübt wird. Hierbei tritt der Kampfkunst-Aspekt entweder sehr stark oder komplett in den Hintergrund und hat für die Übenden kaum oder keine Bedeutung.

Parallel dazu gibt es aber auch noch das "alte" Taijiquan mit Fokus auf "Kampfkunst" - meistens jedoch nur sehr nah bei den ursprünglichen Familien (Chen, Yang/Yeung, Wu, Wu/Hao, Sun...) und deren Nachfahren und/oder nahen Familienschülern erlernbar. Wenn Taijiquan mit Fokus auf Kampfkunst geübt wird, treten i.d.R. alle anderen Aspekte (Gesundheit, Entspannung, Meditation...) mehr in den Hintergrund bzw. sie stellen das Fundament dar, auf dem sich dann der Kampfkunst-Aspekt ausbauen lässt. Idealerweise sind Kampfkunst und Gesundheit dann "eins" und nicht voneinander zu trennen: Wer gesund ist, hat eine gute Basis fürs "Kämpfen" - und die Kampfübungen fördern auch die Gesundheit.

Seit einigen Jahren gibt es "im Westen" verstärkt eine Tendenz sich dem vollen Potential des Taijiquan zu widmen. Gerade langjährig Übende sind auf der Suche nach "mehr". Durch das Internet und viele andere Neuerungen ist es viel leichter geworden, sich auszutauschen, Meister in China zu (be-)suchen bzw. Meister hier in den Westen einzuladen usw. Insofern hebt sich hier im Westen das allgemeine Niveau im Taijiquan aus meiner Sicht - immer mehr Leute lernen "gutes" Taijiquan - und es ist eben auch eine Rückkehr zu den eigentlichen Wurzeln des Taijiquan - der Kampfkunst - festzustellen.

Das führt dann allerdings dazu, dass parallel mehrere unterschiedliche Interpretationen von Taijiquan existieren. Und dann kann es schon verwirrend sein, dass z.B. in den Medien Taijiquan als Gesundheitsübung angepriesen wird - und anderswo z.B. Kampfanwendungen oder Waffenformen geübt werden. Erst mal ein Widerspruch - der eben sowohl Verwirrung stiften kann - aber eben auch ein buntes Bild einer lebendigen Kunst abgibt. Von hier aus noch mal genauer zurück zur Ausgangsfrage:

 

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Was ist denn nun Taijiquan?

 

Kampfkunst, Gesundheitsübung, Entspannungstraining, Stressbewältigung, Meditation... so viele Beschreibungen für Taijiquan... und widersprechen sie sich nicht teilweise? Wie kann eine Kampfkunst gleichzeitig als Stressbewältigung dienen? Oder ist Taijiquan doch keine Stressbewältigung? Oder ist Taijiquan dann doch keine Kampfkunst? - Es herrscht allgemein eine große Verwirrung darüber, was Taijiquan "ist". Und diese Frage ist auch leider überhaupt nicht leicht zu beantworten, wenn man sie einigermaßen umfassend beantworten will.

Um dies zu illustrieren möchte ich gerne die (vermutlich aus Indien stammende) "Geschichte von den Gelehrten und dem Elefanten" wiedergeben:

"Es waren einmal fünf weise Gelehrte. Sie alle waren blind. Diese Gelehrten wurden von ihrem König auf eine Reise geschickt und sollten herausfinden, was ein Elefant ist. Und so machten sich die Blinden auf die Reise nach Indien. Dort wurden sie von Helfern zu einem Elefanten geführt. Die fünf Gelehrten standen nun um das Tier herum und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen.

Als sie zurück zu ihrem König kamen, sollten sie ihm nun über den Elefanten berichten. Der erste Weise hatte am Kopf des Tieres gestanden und den Rüssel betastet. Er sprach: "Ein Elefant ist wie ein langer Arm." Der zweite Gelehrte hatte das Ohr des Elefanten ertastet und sprach: "Nein, ein Elefant ist vielmehr wie ein großer Fächer." Der dritte Gelehrte sprach: "Aber nein, ein Elefant ist wie eine dicke Säule." Er hatte ein Bein des Elefanten berührt. Der vierte Weise sagte: "Also ich finde, ein Elefant ist wie eine kleine Strippe mit ein paar Haaren am Ende", denn er hatte nur den Schwanz des Elefanten ertastet. Und der fünfte Weise berichtete seinem König: " Also ich sage, ein Elefant ist wie eine riesige Masse, mit Rundungen und ein paar Borsten darauf." Dieser Gelehrte hatte den Rumpf des Tieres berührt.

Nach diesen widersprüchlichen Äußerungen fürchteten die Gelehrten den Zorn des Königs, konnten sie sich doch nicht darauf einigen, was ein Elefant wirklich ist. Doch der König lächelte weise: "Ich danke Euch, denn ich weiß nun, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit einem Rüssel, der wie ein langer Arm ist, mit Ohren, die wie Fächer sind, mit Beinen, die wie starke Säulen sind, mit einem Schwanz, der einer kleinen Strippe mit ein paar Haaren daran gleicht und mit einem Rumpf, der wie eine große Masse mit Rundungen und ein paar Borsten ist."

Die Gelehrten senkten beschämt ihren Kopf, nachdem sie erkannten, dass jeder von ihnen nur einen Teil des Elefanten ertastet hatte und sie sich zu schnell damit zufrieden gegeben hatten."

 

Taijiquan ähnelt "dem Elefanten". Es beinhaltet verschiedene Aspekte und Bereiche - und je nachdem von welcher Seite aus man darauf guckt, sieht man etwas anderes:

 

  • sieht man unter dem Aspekt "Entspannung" auf "das" Taijiquan, zeigt sich der für Körper und Geist entspannende Effekt der Bewegungen, die praktisch immer mit möglichst wenig Kraft (Minimalkraft) ausgeführt und von der Vorstellungskraft "Yi" geführt werden sollen - durch den rhythmischen Wechsel der Bewegungen können die Muskeln mit der Zeit noch mehr loslassen

  • sieht man von Seiten der "Stressreduktion" darauf, kann der den Körper und Geist beruhigende Aspekt des Taijiquan interessant sein... Ruhe zu suchen, auch in der Bewegung, dem eigenen Rhythmus zu folgen, ohne jeden Leistungsgedanken oder Wettbewerbscharakter, sich mit sich selbst in positiver Weise zu beschäftigen, auseinanderzusetzen, in sich "hineinzuhorchen" und zu spüren...

  • sieht man den "Gesundheits- oder Präventionsaspekt" des Taijiquan, so lassen sich viele positive gesundheitliche Wirkungen finden z.B. durch die sanfte und geschmeidige Art der Bewegung - hier allerdings vorausgesetzt, dass der jeweilige Lehrer auf die korrekte Ausführung der Bewegungen und der Körperhaltung achtet

  • sieht man unter dem Aspekt "Meditation / Spiritualität" darauf, so lässt sich auch dieser Teilbereich finden, wiederum z.B. durch die meditative Ruhe, in die Stille kommen, die Einheit von Körper und Geist, die "energetischen" Aspekte, die Schulung des Geistes (Konzentration, Achtsamkeit), die Erfahrung des eigenen Körpers... und andersherum kann Taijiquan auch stille Praktiken ergänzen und für einen sowohl geistigen als auch körperlichen (oder auch "energetischen") Ausgleich sorgen

  • sieht man auf Taijiquan mit dem Aspekt "Kampfkunst", wird man den kämpferischen Aspekt im Fokus haben - und je nach Linie einige Prinzipien zur Krafterzeugung (Jin) entdecken sowie Partnerübungen, Anwendungen, schnelle Bewegungen, Waffenformen... allerdings ist dieser Bereich eher noch selten anzutreffen, aber es gibt immer mehr Lehrer und Schulen, die sich auch diesem Aspekt widmen

 

Für die Chinesen selbst macht gerade das auch die Faszination dieses Systems aus, dass es so vielschichtig, umfassend und "ganzheitlich" ist. In gewissem Sinn kann "jeder glücklich werden" mit Taijiquan - je nach individuellem Interesse und Bedürfnissen lässt sich meist das eigene Üben so gestalten, dass die eigenen Vorlieben in den Hauptfokus rücken können, egal ob es dann Gesundheit, Entspannung, Stressreduktion, Meditation oder Kampfkunst (oder eine Mischung der genannten) ist.

 

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Ist Taijiquan immer "gleich"?

 

Seit der  öffentlichen Verbreitung des Taijiquan ab etwa 1900 wurden die verschiedenen Taijiquan-Stile immer wieder verändert und angepasst. Zum großen Teil haben die Taijiquan-Familien (wortwörtlich: die heute noch lebenden Familienmitglieder) darauf schon seit längerem nur wenig oder keinen Einfluss mehr, was wer wie weltweit in ihrem Namen unterrichtet oder nicht. Von Stil zu Stil mag das unterschiedlich sein. Ich kann fast nur für den von mir praktizierten Yang-Stil sprechen - und dort ist es selbst für "Profis"/Experten sehr schwer, noch einigermaßen zu durchblicken, was alles für Varianten und Nebenlinien existieren.

Meiner eigenen Erfahrung nach wurden viele Informationen im Laufe der Zeit stark in den Familien gehalten. Nach außen hin - selbst wenn es "Meisterschüler" waren, wurde meistens nicht das gesamte Wissen weitergegeben. So haben sich teils fragwürdige Stilvarianten entwickelt. Das ist an sich nicht schlimm. Bei manchen Varianten können jedoch gesundheitliche Nachteile auftreten, z.B. Belastungen und Schäden im Knie. Auf der anderen Seite kann es sein, dass interessierte Leute nicht ihr volles Potential ausschöpfen, weil sie z.B. in einem Stil landen, der Informationen nur langsam weitergibt, vielleicht über insgesamt nur wenige Informationen verfügt, teilweise vielleicht sogar über "falsche" Informationen, die Fortschritt ab einem gewissen Punkt verhindern.

Deswegen ist es für mich umso wichtiger geworden, gute Quellen zu haben. Genereller Tipp: möglichst einen Lehrer suchen, der in Verbindung zu einer der Familientraditionen steht. Doch selbst das muss nicht immer etwas heißen. In jedem Fall ist es eben tatsächlich so, dass es ganz unterschiedlichste Varianten des Taijiquan gibt, die manchmal komplett anders aussehen und mitunter sehr unterschiedliche Inhalte haben. Von außen kann die Inhalte innen drin niemand sehen. Niemand. Deswegen rufe ich auch zur Vorsicht vor allzu schnellen Urteilen auf.

Die Formen können ganz unterschiedlich sein, die Vorübungen können ganz unterschiedlich sein... manche Lehrer machen sehr viele Partnerübungen... andere Lehrer ihr Leben lang keine einzige... Taijiquan ist nicht gleich Taijiquan! Das wäre so, wie wenn man sagen würde "Sport?" - "Ja, Sport, das ist Handball!" - und es gibt aber noch Volleyball, Laufen, Krafttraining, Schwimmen usw. usf. So ähnlich ist es, wenn man ein Mal jemanden Taijiquan ausüben sieht und denkt, dass es dann immer genau so aussehen muss und nur so aussehen kann...

 

"Taijiquan ist ein inneres System der Kampfkunst:

Wenn die Bewegungen richtig ausgeführt und
die inneren Prinzipien
verstanden werden,
dann ist dies Taijiquan.


Werden die Bewegungen nicht richtig ausgeführt und
die inneren
Prinzipien nicht verstanden,
dann besteht kein Unterschied
zu den äußeren Kampfkünsten,
selbst wenn die
Bewegungen so aussehen wie Taijiquan."


Dong Yingjie (1898-1961)

 

 

Taijiquan und Qigong, Neigong, Kung Fu...

 

Die Basis bzw. auch der Kern des Taijiquan ist im Grunde "Qigong" (dazu bitte in der Qigong-Ecke dieser Webseite weiterstöbern). Qigong in den Kampfkünsten wird oft dann Neigong genannt - "innere Übung". Taijiquan ist sozusagen eine Sonderform des Qigong. Wenn auch die Kampfkunst-Aspekte geübt werden, kann Taijiquan als ein Kung Fu-Stil betrachtet werden. Wird der Kampfkunst-Aspekt dagegen völlig gestrichen, bleibt im Grunde ein "Qigong"-Übungssystem zurück, obwohl man es (dann eigentlich verwirrenderweise) weiterhin Taijiquan nennt.

Darüber hinaus werden in fast allen Taijiquan-Linien auch noch mal extra Qigong-Übungen aufgeführt und gelehrt - meistens dann zum einen bewegten Qigong-Übungen z.B. als Aufwärmung oder um auf Bewegungen der Formen vorzubereiten oder bestimmte Prinzipien zu trainieren - und zum anderen stille Qigong-Übungen, in der Regel in Form der "Stehenden Säule" (Zhan Zhuang).

 

 

Ziele des "alten" Taijiquan

 

Die Ausübung des "alten" Taijiquan d.h. mit Haupfokus auf "Kampfkunst" verfolgt zwei hauptsächliche Ziele:

  1. Erhöhung der "Kraft" - einer hochspezialisierten Kraft, die "Jin" genannt wird
  2. Training von möglichst funktionalen Bewegungen für "Kampfsituationen"

 

Dadurch wird jede Übung des Taijiquan zu einem Training der Jin-Kraft sowie auch zu einem Training von "Kampfanwendungen". Alle anderen Aspekte (Gesundheit, Meditation, Entspannung, Stressreduktion...) sind erwünschte Nebenziele und aber auch Voraussetzung für die Kampfkunst-Übungen.

 

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Allgemeine Übungsbereiche im Taijiquan

 

  1. Bewegte Qigong-Übungen, oft zur Vorbereitung/als Aufwärmübungen bzw. auch als wichtiges Grundlagentraining
  2. Stilles Qigong i.d.R. als Zhan Zhuang = "Stehende Säule" oder Sitzmeditation
  3. Langsame Form(en) - mit Formen sind (traditionell) längere oder (modern) kürzere Bewegungsfolgen/-abläufe gemeint - diese stellen meist den Haupt-Übungsbereich des Taijiquan dar und meist wird Taijiquan auch mit den "Formen" gleichgesetzt, selbst wenn es eben noch weitere Übungsbereiche gibt
  4. Schnelle Form(en)
  5. Partnerübungen (Push Hands/Tui Shou, Da Lu, San Shou, Anwendungstraining...)
  6. Waffentraining: Einzelübungen, Form(en), Partnerübungen... mit den vier Hauptwaffen:
    • Säbel (Dao) = Taiji Dao
    • Schwert (Jian) = Taiji Jian
    • Langstock (Gun) = Taiji Gun
    • Speer (Qiang) = Taiji Qiang
    • Nicht alle Stile enthalten alle vier klassischen Waffen - und in manchen Stilen gibt es noch weitere Waffen oder auch noch ganz andere Übungsgeräte wie Bälle, Stäbe, oder Fächer...
  7. Theorie / Prinzipien

 

Nicht alle Taijiquan-Richtungen enthalten alle diese Übungsbereiche. Und selbst wenn, dann können die jeweiligen Übungen sehr unterschiedlich aussehen.

 

 

Übungsbereiche für Anfänger im Taijiquan nach Yeung Ma-Lee (Mary Yang)

 

In dem von mir unterrichten Yang-/Yeung-Stil Taijiquan nach Yeung Ma-Lee (Mary Yang) stehen am Anfang folgende Übungsbereiche im Mittelpunkt:

 

  • 24 fundamentale Softening Exercises (bewegte Qigong-Übungen)
  • die sogenannte "Instruction Form" (die Taijiquan-Form, wie sie hier in dieser Linie nach Yeung Ma-Lee am Anfang unterrichtet wird)
  • "Soft Standing" (stilles, stehendes Qigong - "Zhan Zhuang")

 

 

Zum Schluss noch kurz etwas zur Philosophie des Taijiquan: Wuji, Taiji, Yin und Yang...

 

"Taiji" alleine zu nennen bleibt unvollständig. Untrennbar verbunden mit "Taiji" sind noch zwei weitere Begriffe bzw. Konzepte der chinesischen Philosophie des Daoismus: zum einen "Wuji" und zum anderen "Yin und Yang".

 

  • Wuji (auf kantonesisch "Mo Gik") (und synonym "Hunyuan") wird symbolisch durch einen leeren Kreis abgebildet und beschreibt die ursprüngliche Einheit/Ganzheit, das Ungeteilte, den Uranfang, die Leere und im übertragenen Sinne auch "Ruhe/Stille"
  • Taiji (kantonesisch "Tai Gik") wird symbolisiert durch eine sich vergößernde Spiralbewegung. Taiji ist ein bewegendes Prinzip, ein "Etwas", das plötzlich in der Leere entsteht und letztlich weitergehend zur Polarität von Yin und Yang führt - Taiji ist der Mittler zwischen Wuji und Yin/Yang - Taiji kann vom Wuji zu Yin und Yang führen, von der Leere zur Polarität, und Taiji kann aber auch umgekehrt von der Polarität von Yin und Yang zurück zur ursprünglichen Einheit und Leere des Wuji führen
  • Yin und Yang stellt wiederum eine Art "universales" Prinzip dar, nämlich eine Polarität von sich ergänzenden Gegensätzen, die eine eigene Dynamik bilden und zusammengehören. Yin und Yang sind sowohl "zwei" als auch "eins" - sie stellen zwei Pole dar und gehören aber doch zusammen. Dabei geht es sowohl um Balance und Ausgeglichenheit, als auch um eine größtmögliche "Spannung" beider Pole - also auch "Extreme", denn je mehr Yin desto mehr Yang usw.

 

In Bezug auf den Menschen - und im besonderen im Kontext der Ausübung von Taijiquan - ergeben sich folgende praktische Konsequenzen aus diesen Konzepten:

 

  • "Wuji" repräsentiert die Ruhe/Stille des Herzens (Xin) sowie des Geistes (Yi und Shen) - und diese Ruhe/Stille drückt sich auch durch "Nicht-Reagieren" aus - statt auf äußere Reize fast automatisch zu reagieren, erhöht die Ruhe und Stille des Wuji die Wahlfreiheit: wir brauchen nicht immer zu reagieren... weiterhin bedeutet Wuji von der körperlichen Seite her eine "neutrale" Ausrichtung - der Anfang aller Taijiquan-Formen wird mit "Wuji" bezeichnet: die Arme hängen herab, das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt, Herz und Geist werden ruhig usw.
  • "Taiji" ist dann als bewegendes Prinzip im Menschen die Aktivität von Herz (Xin) und Geist (Yi/Shen). Alle Bewegungen beginnen im Geist und auch im Herzen (als Absicht) und werden von der Vorstellungskraft (Yi) geführt.
  • "Yin/Yang" ist dann die Polarität, die alle Bewegungen des Taijiquan durchzieht und als Prinzip sich auch im Körper manifestiert - geführt durch das "höchste Prinzip" = "Taiji" - also durch Aktivität von Geist (Yi/Shen) und Herz (Xin) - ganz körperlich bedeutet das z.B. sowohl steigen als auch sinken zu beachten - würden wir nur steigen geht die Verwurzelung verloren - würden wir nur sinken werden wir zu schwer und die Leichtigkeit geht verloren - wir brauchen beides, steigen und sinken - und je mehr wir sinken umso mehr können wir steigen - und das lässt sich auf alles übertragen... z.B. wenn wir uns nach rechts bewegen, müssen wir uns auch nach links bewegen, sonst entsteht links eine "Lücke" usw.

 

Deswegen müssen wir uns beim Taijiquan mit allen drei Aspekten beschäftigen:

  • dem Wuji = der Ruhe des Herzens (Xin) und Geistes (Yi) sowie "neutraler" Körperposition
  • dem Taiji = den Aktivitäten von Herz (Xin) und Geist (Yi), die Bewegung in die Ruhe des Wuji bringen und "Motor" aller Bewegung ist - gerade dafür braucht es übrigens einen entspannten Körper, um die Signale aus der Vorstellungskraft körperlich in Bewegung umsetzen zu können - und dies ist ein wichtiger Grund (von vielen), warum die Entspannung beim Taijiquan so wichtig ist
  • Yin und Yang = der Ausgeglichenheit aller Bewegungen bei gleichzeitig größtmöglicher Spannung beider Pole

 

 

"Das Unbewegte (Wuji) ist die Quelle der Bewegung".
Laozi (Lao-tse)

 

 

Taijiquan - Einheit von Bewegung, Ruhe und Vorstellungskraft

 

Im Taijiquan geht es vorranging um Bewegung. Keine einzige Taijiquan-Übung ohne Bewegung! Doch um die Bewegung zu verstehen, müssen wir die Quelle aller Bewegungen verstehen - und diese liegt, aus chinesischer Sicht, in den Ideen von "Wuji" (der Ruhe...) und "Taiji" (der Führung durch Absicht und Vorstellungskraft). Ein Taijiquan, dass sich nur mit Bewegungsabläufen, speziell dem Auswendiglernen von "Formen" beschäftigt, bleibt dabei unweigerlich sehr an der Oberfläche. Alle Bewegungen des Taijiquan an bestimmten "Prinzipien" auszurichten - u.a. den Prinzipien von Yin und Yang - macht gerade die Schönheit und Tiefe und letztlich auch den Reiz dieses Übungssystems aus, nicht zuletzt weil es uns als Übende - neben der körperlichen Seite - tief berühren und erfüllen kann

 

 

 

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Taijiquan lernen!